24.08.2021: 20 Jahre Balkonkraftwerke

24.08.2021: 20 Jahre Balkonkraftwerke

Als der Deutsche Bundestag am 25. Februar 2000 das “Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien” (EEG) beschließt, ist Holger Laudeley einer der Ersten, der die gewaltigen Chancen der Photovoltaik erkennt. Die ersten Kilowattstunden aus Photovoltaikanlagen werden mit 99 Pfennigen (0,51 Cent) gefördert. Doch Laudeley reichen die Dachanlagen nicht aus: Er möchte ein System entwickeln, mit dem auch Mieter mit Balkon, aber ohne eigenes Dach, an der Energiewende teilhaben können.

15 Monate später, Anfang Mai 2001, ist es soweit: Laudeley zeigt im Rahmen der Solarmesse Bremen acht, mit kleinem SMA-Wechselrichter (SB700) ausgestattete Solarmodule, die sein Elektrofahrzeug (CityEL) aufladen. Um die für den Stromfluss notwendige Frequenz zu erhalten, schließt Laudeley sowohl das Elektroauto als auch die Solarmodule per Schuko-Stecker in einer Dreifachsteckdose zusammen – und verbindet die Leitung mit dem öffentlichen Stromnetz. Ein Messgerät zeigt: Die elektrische Energie der Solarmodule fließt nicht ins Netz, sondern lädt den CityEL.  

Das weltweit Erste Balkonkraftwek lädt ein Elektroauto.

Seine Erfindung, die er an der Hochschule Bremen erstmals demonstriert, nennt der Diplom-Ingenieur (FH) Balkonkraftwerk: “Im EEG steht nirgends geschrieben, dass nur Stromkonzerne oder Hausbesitzer Strom ins öffentliche Netz einspeisen dürfen.” 

Dabei ist das technische Prinzip hinter den Balkonkraftwerken denkbar einfach: Das Solarmodul enthält einen sogenannten Mikro-Wechselrichter, dessen Kabel direkt in die auf Balkonen übliche Schuko-Steckdose eingesteckt wird. “Von dort sucht sich die elektrische Energie nach dem physikalischen Prinzip des geringsten Widerstands den nächsten Verbraucher – ganz gleich, ob Fernseher, Kaffeemaschine oder Spielekonsole”, so der Experte, der sich seit 1982 mit regenerativer Energieerzeugung beschäftigt.

Harte Anfangsjahre

Eine Idee also, deren Zeit gekommen ist? Die Anfangsjahre sind für Unternehmer Laudeley hart – aus der Erfindung wird nicht unmittelbar ein Geschäftsmodell. “Nach der Solarmesse haben wir die Technologie sporadisch weiterentwickelt, und versucht, die Menschen davon zu überzeugen. Allerdings ohne Erfolg”, erinnert sich Laudeley. 

Der Hauptgrund: Die hohe, staatlich garantierte Einspeisevergütung macht es lukrativ, Photovoltaikanlagen auf dem Dach zu installieren – und den Strom ins öffentliche Netz einzuspeisen. Dort muss er abgenommen werden. “An Eigenverbrauch dachte damals aufgrund der noch moderaten Stromkosten niemand.” Die Solarmodule hingegen waren zu teuer: Für die auf der Solarmesse gezeigten Energieerzeuger investierte Laudeley nicht weniger als 6.000 Euro. 

Viele Jahre vergehen, die Preise für Photovoltaikmodule fallen, weil auch China in die Produktion der Module einsteigt. Auf Reisen dorthin beschließt Laudeley, Balkonkraftwerke dort fertigen zu lassen – und im Container nach Deutschland zu bringen. Eines der ersten Resultate im Januar 2012: Laudeley nimmt seine Frau Cornelia und einen Mitarbeiter und montiert das erste Balkonkraftwerk, bestehend aus fünf Solarmodulen, am Balkon der Mietwohnung seiner Schwiegermutter in der Nähe von Bremen. Kosten damals: 4.000 Euro.

Eine 80jährige attackiert die vier großen Energieversorger: Hanna Bierbrauer.

Der Balkon ist nach Süden ausgerichtet, das Bild geht anschließend um die Welt: Hanna Bierbrauer wird als 80-jährige, die den Energiekonzernen den Kampf ansagt, eine kleine Berühmtheit. Der montierte Wechselrichter macht aus Gleichstrom Wechselstrom, der im Haushalt verwendet werden kann. Das Resultat ist sofort zu erkennen: Der damalige Ferraris-Zähler in der Wohnung der Rentnerin läuft fortan langsamer. “Im Frühjahr und Sommer wird das Rad des Stromzählers stehen bleiben und sporadisch rückwärts laufen”, prognostiziert Laudeley. 

Was für die erste Balkonkraftwerk-Kundin weltweit zählt, ist das Gefühl, ein Stück Unabhängigkeit von Stromkonzernen zu gewinnen in einer Zeit als RWE, EON, Vattenfall und EnBW von der Energiewende noch lange nichts wissen wollen, und behaupten, Photovoltaik in Deutschland sei ungefähr so sinnvoll wie Ananas-Züchten in Alaska.

Jürgen Großmann, damals RWE-Chef zu Photovoltaik

Kampf gegen die Konzerne 

Es ist auch dieser Kampf gegen die mächtigen Energiekonzerne, der Laudeley unermüdlich antreibt, seine Idee der Balkonkraftwerke salonfähig zu machen. “Wenn sich Millionen Mieter ein Balkonkraftwerk leisten, schlägt das natürlich ins Kontor der bislang marktbeherrschenden Unternehmen”, sagt er. Die Konzerne, die sehr gutes Geld mit Kohle- oder Atomstrom verdienen, beginnen, Widerstand zu leisten. 

In dieser Zeit realisiert Laudeley gemeinsam mit den chinesischen Produktionspartnern und einem Investor auch Solarmodule, die einen kleinen Speicher integriert haben. “Durch Zwischenspeicherung kann verhindert werden, dass die wertvolle Energie ohne Vergütung ins öffentliche Stromnetz zurückfließt – und der Zähler rückwärts läuft”, sagt Laudeley. Denn aus Sicht der Energiewende mache es besonders viel Sinn, vor Ort  erzeugte Energie auch dort zu verbrauchen, damit Netzausbau oder der Bau von Stromspeichern minimiert werden könne. 

Hierin liegt auch der Paradigmenwechsel, den Erneuerbare Energien auslösen: 110 Jahre lang war das deutsche bzw. europäische Stromnetz auf wenige, große Kraftwerke ausgerichtet. Deren fossile Energie wurde bedarfsgerecht über Stromnetze auf unterschiedlichen Spannungsebenen bis zu den Verbrauchern transportiert. Mit Erneuerbaren Energien werden Hausbesitzer, Mieter oder Betriebe zu “Prosumern”, die ihre Energie mindestens anteilig selbst erzeugen können – ein System aus Million dezentralen Kraftwerken, kombiniert mit wenigen großen Erzeugern, entsteht.  

Wendepunkt 2012/13

Generell ist das Jahr 2012 ein Jahr der Wende für das schleppend laufende Geschäft mit Balkonkraftwerken: Damals entscheidet die schwarz-gelbe Bundesregierung die boomende Solarindustrie in Deutschland durch Änderungen am EEG zu vernichten. “Damals hatten wir 60 Hersteller von Photovoltaikmodulen in Deutschland. Heute sind es noch drei”, so Laudeley. Zeitgleich steigen die Stückzahlen bei den Verkäufen von Balkonkraftwerken aus China – doch Qualitätsmängel bleiben ungelöst. Durch wachsende Medienaufmerksamkeit – das PV Magazine schreibt eine Titelgeschichte zu PV-Guerilla – werden Behörden aufmerksam, weil auch erste Negativ-Berichte folgen. 

Doch trotz dieser Probleme geschieht Ende des Jahres auch eine bedeutsame Veränderung: Der Kinofilm “Leben mit der Energiewende 1”, ein Projekt des Filmemachers Frank Farenski, erzählt die Geschichte der Balkonkraftwerke – und zeigt, wie Holger Laudeley seine Module vor einem Baumarkt direkt von der Liefer-Palette anpreist. “Der erste Farenski-Film lief erfolgreich in den Kinos, weshalb unsere Verkaufszahlen deutlich stiegen”, so Laudeley.

Angestachelt vom Kinofilm trauen sich immer mehr Menschen, den Energiekonzernen zu zeigen, was sie von deren Fokus auf Kohle, Gas und Atom angesichts der Klimakrise halten: Nichts. Doch die Konzerne verstärken die Gegenwehr, verbreiten Gerüchte über Sicherheitsrisiken, starten Legal-Illegal-Diskussionen. 2013 gibt es einen ersten Prozess in München: E.ON stachelt einen Händler auf, gegen die damalige Firma Sun Invention zu klagen. Sogar das Bundeswirtschaftsministerium sieht sich genötigt, vor Balkonkraftwerken zu warnen – während VDE und DKE gar kein Interesse zeigen, sich mit möglichen Normungsfragen zu befassen.

“Die Sicherheits- und Anmelde-Problematik waren vorgeschobene Argumente, um den Menschen die Chance, etwas Energie selbst zu produzieren, zu vermiesen”, sagt Laudeley rückblickend. Mit großem Aufwand führte der leidenschaftliche Ingenieur Messreihen auf seinem Gelände in Ritterhude durch, schrieb Gutachten über die Technologie. “Ich habe selbst jahrelang Notabschaltungen nach Bränden gemacht, und all das gesehen, was bei unsachgemäßem Missbrauch passieren kann. Ich würde daher niemals Kunden mutwillig einer Brandgefahr aussetzen.”

Sun Invention gibt 2014 auf

Stein des Anstoßes der Konzerne ist oft der Schuko-Stecker. Dabei werden beispielsweise Wärmepumpen oder KWK-Anlagen in Häusern ebenfalls einfach per Schuko-Stecker ans Hausnetz angeschlossen – und gerade in Winterzeiten konstant hohe Strommengen eingespeist. Vor allem die “Berührungssicherheit” des Schuko-Steckers wird angezweifelt – dabei müssen Wechselrichter laut VDE AR4105 mit einer “selbstwirkenden Freischaltstelle” ausgestattet sein, die bewirkt, dass die Produktion innerhalb von Millisekunden beendet wird – und somit der Stecker gefahrlos berührt werden kann. 

“Liest man die VDE Norm 0100-551 Teil 1 und 2 richtig, wird klar: Genau diese Zusatzfunktion selbst wirkende Freischaltstelle reicht aus, um den Schuko-Stecker berührungssicher zu machen”, so Laudeley.  Doch trotz solch vorgeschobener Argumente wächst der Druck von Medien, Politik und Stromkonzernen. Weil auch die Qualitätsmängel der Ware aus China nicht in den Griff zu bekommen sind, muss Sun Invention Anfang 2014 aufgeben.

Neuanfang als e.cube Systems

Doch in den Folgejahren ergeben sich neue Chancen. Laudeley beginnt – ohne Geschäftspartner und ohne Investor – mit e.cube Systems 2014/15 und eigenem Entwicklerteam eine Neuentwicklung der Produkte. “Ziel war es einerseits auf Qualität aus Deutschland zu setzen. Andererseits stieg der Anteil erneuerbarer Energien im Stromnetz derart, dass es auch aus Sicht des ökologischen Fußabdrucks Sinn machte, in Deutschland statt in China zu produzieren.“ 

Den Neuanfang erleichtert zusätzliche Unterstützung aus der Branche: Die Deutsche Gesellschaft für Solarenergie setzte sich dafür ein, die Gräben zu DKE/VDE zu schließen. Zusätzlich begann Greenpeace Energy einen Prozess gegen die Stadtwerke Hamburg. “Der Hintergrund ist, dass der Energieversorger behauptet, das Solarmodul bei Greenpeace Energy auf dem Dach würde das Stromnetz stören”, so Laudeley. Bis heute ist der Rechtsstreit, den insbesondere Jurist Dr. Jörn Bringewat führte, nicht abgeschlossen und entschieden.  

Als Partner für Photovoltaik-Module kristallisiert sich aleo Solar heraus, ein Unternehmen, das in Brandenburg hochwertige Solarmodule herstellt. Der Mikro-Wechselrichter kommt von AEconversion, ebenfalls von einem in Deutschland ansässigen Spezialunternehmen. “Der Auswahl von AEconversion ging eine Testreihe mit ca. 80 Wechselrichtern voraus”, erinnert sich Laudeley. Auf seinem Gelände in Ritterhude hat er Platz und Raum, um gewissenhaft die Entwicklung voranzutreiben.

Bis 2018 entstehen drei weitere Kinofilme “Leben mit der Energiewende”, die helfen, weitere Verkaufserfolge einzufahren. Das Regelwerk des VDE ändert sich nach jahrelangem Kampf durch die Deutsche Gesellschaft für Solarenergie, und holt die Balkonkraftwerke aus der “Guerilla”-Ecke zumindest in einen legalen Bereich. Problem weiterhin: Der VDE als ein privater, technischer Verein mit Empfehlungscharakter, erkennt den Schuko-Stecker weiterhin nicht an. 

Balkonkraftwerk von Frank Farenski muss abgebaut werden.

Mittlerweile wehren sich auch Hauseigentümer gegen die Nutzung des Balkons als Solarkraftwerk. Filmemacher Frank Farenski, der ein solches in einer Gütersloher Wohnung installierte, muss sein Balkonkraftwerk nach einer erfolgreichen Klage abbauen. Anschließend entscheidet er sich, die Wohnung aufzugeben. 

BK-Vertrieb entsteht

Seit 2019 sind Balkonkraftwerke in Deutschland und vielen anderen Ländern der Welt wie etwa den Niederlanden, Italien oder der Schweiz zugelassen und anerkannt. Laudeley gründet eine neue Gesellschaft mit Partnern, optimiert Lieferketten und professionalisiert die Webseiten. “Immer mehr junge Unternehmen drängen auf einen wachsenden Markt, um Photovoltaik am Balkon endlich salonfähig zu machen”, so Laudeley. Im gleichen Jahr wird der Begriff “Balkonkraftwerk.de – das Original von Mr. Energiewende” geschützt. Mit “Leben mit der Energiewende 5” und Youtube-Videos, in denen Holger Laudeley die Technologie, die Wirtschaftlichkeit aber auch rechtliche Fragestellungen beleuchtet, motivieren immer mehr Menschen, ihre eigene Energiewende durchzuziehen. 

Gleichzeitig geht ein speziell für Laudeley entwickeltes Balkonkraftwerk bei aleo Solar in Serie. Die Module werden in einer eigens hergerichteten Halle in Ritterhude zusammengebaut. Mittlerweile gehört auch eine Vielzahl von Klapp-Gestellen und Montagesystemen, die für die Montage am Balkon oder die Aufständerung im Garten optimiert sind, zum Angebot. “Heute kann ich sagen, dass sich der Kampf, der mir durch einen Herzinfarkt beinahe das Leben gekostet hätte, aus Sicht der Energiewende gelohnt hat”, sagt Laudeley rückblickend. Mittlerweile seien die Balkon-Solarmodule aus Ritterhude als Premium-Lösung anerkannt. 

20 Jahre nach der Erfindung, nach vielen harten Kämpfen, Enttäuschungen und Rückschlägen ist die Technik nun für Jedermann verfügbar: Und weiterhin ein Symbol für den Kampf gegen die Erderwärmung und gegen die Klimakatastrophe.

Links zu den Filmen Leben mit der Energiewende sind hier zu finden. Der Youtube-Channel von Dennis Witthus ist hierüber erreichbar.

Allgemeine Anfragen:


Catharina Glöckner
Tel: 0 42 92 / 810 340
Fax: 0 42 92 / 810 341
E-Mail: catharina@laudeley.de
Mo bis Do: 8 bis 16:30 Uhr

Freitag: 8 bis 15:30 Uhr

Beratungsgespräche nur nach vorheriger telefonischer Absprache möglich!

Laudeley & Farenski

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Laudeley im Kino

Laudeley im Fernsehen

Balkon-Kraftwerk

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